Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – ein Überblick für die Unternehmenspraxis

I. Hintergrund

Das Thema der digitalen Barrierefreiheit wurde gesetzgeberisch bislang v.a. mit Blick auf den öffentlichen Sektor adressiert. Exemplarisch steht dafür die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BITV 2.0). Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (BFSG) wird nun auch der private Sektor maßgeblich zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet.

Das BFSG dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.4.2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (EAA). Diese Richtlinie hat vollharmonisierenden Charakter und eröffnet kleinere Umsetzungsspielräume für den nationalen Gesetzgeber, die jedoch nicht genutzt wurden.

Das BFSG wird in der Praxis häufig zwar zunächst als Belastung wahrgenommen. Es wird jedoch angenommen, dass die neuen Anforderungen Vorteile für die Privatwirtschaft mit sich bringen könnten, indem Menschen mit Behinderungen eine breitere Produktpalette zur Auswahl haben und nicht länger auf den Kauf teurer Spezialprodukte angewiesen sind.

II. Inhalt des Gesetzes

1. Ziel des Gesetzes

Ziel des Gesetzes ist nach § 1 Abs. 1 BFSG im Interesse der Verbraucher und der Nutzer, die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen zu gewährleisten. Das BFSG gilt nur im B2C-Bereich und soll für Menschen mit Behinderungen ihr Recht auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft stärken.

2. Anwendungsbereich

Das Gesetz gilt für Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28.6.2025 in den Verkehr gebracht werden. Eine Nachrüstung älterer Produkte ist demnach nicht geboten. Dienstleistungserbringer dürfen bis zum 27.6.2030 ihre Dienstleistungen weiterhin unter Einsatz von Produkten erbringen, die von ihnen bereits vor dem 28.6.2025 zur Erbringung dieser oder ähnlicher Dienstleistungen rechtmäßig eingesetzt wurden.

Das BFSG gilt für bestimmte Produkte wie Hardwaresysteme, Selbstbedienungsterminals und Verbraucherendgeräte sowie für Dienstleistungen wie Telekommunikationsdienste, Personenbeförderungsdienste, Bankdienstleistungen, E-Books und Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr.

Das Gesetz richtet sich an Wirtschaftsakteure wie Hersteller, Einführer, Händler und Dienstleistungserbringer. Kleinstunternehmen sind von der Verpflichtung zur Barrierefreiheit ausgenommen.

Es gibt Ausnahmen für grundlegende Veränderungen und unverhältnismäßige Belastungen, die von den Marktüberwachungsbehörden geprüft werden.

3. Sanktionen

Verstöße gegen das BFSG können mit Geldbußen bis zu 100.000 € geahndet werden. Es drohen zusätzlich Untersagungsverfügungen und Produktrückrufe.

III. Auswirkungen für die Praxis

Unternehmen sollten eine umfassende Barrierefreiheitsstrategie entwickeln und die Standards des W3C zur Accessibility berücksichtigen.

Das BFSG stellt eine Herausforderung dar, bietet aber auch Chancen durch eine breitere Zielgruppe. Eine frühzeitige Umsetzung und Nutzung von KI-gestützter Software können helfen, die Anforderungen zu erfüllen.

IV. Wir unterstützen Sie bei der Umsetzung

Wir können Sie als  Webseitenbetreiber bei der Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen des BFSG beraten und unterstützen. Dies umfasst

  • die Prüfung der Barrierefreiheitsanforderungen
  • die Erstellung technischer Dokumentationen
  • die Ausstellung von EU-Konformitätserklärungen und die Anbringung von CE-Kennzeichnungen
  • Entwicklung einer umfassenden Barrierefreiheitsstrategie
  • Überwachung der gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden
  • Beantragung von Ausnahmen aufgrund grundlegender Veränderungen oder unverhältnismäßiger Belastungen
  • Kommunikation mit den Marktüberwachungsbehörden

Ihr Ansprechpartner: RA Stephan Friedrich Melchior