Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken – ein großer Wurf oder nur Flickschusterei?
Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken ist am 09.10.2013 in Kraft getreten (BGBl. 2013, Teil I Nr. 59, S. 3714, pdf-Datei, hinterlegt beim Bundesanzeiger Verlag). Wir informieren über die wesentlichen Änderungen und Auswirkungen auf Verbraucher und Unternehmer.
Das Gesetz verfolgt hauptsächlich das Ziel, Verbraucher aber auch Unternehmer besser gegen den Abmahnmissbrauch im Urheber- und Wettbewerbsrecht, gegen unlautere Inkasso-Methoden und Gewinnspielfallen zu schützen und ergänzt bestehende bzw. implementiert neue Vorschriften im Urheberrechtsgesetz (UrhG), im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), im Rechtsdienstleistungsgesetz, im Gerichtskostengesetz (GKG), im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und den jeweiligen Einführungsgesetzen dazu.
Im Urheberrecht soll dem unerfreulichen Phänomen und Geschäftsmodell überteuerter Massenabmahnungen gegenüber Privatpersonen zu Leibe gerückt werden, indem zum einen die Anforderungen an die Transparenz und Rechtmäßigkeit der Abmahnschreiben erstmals gesetzlich fixiert wurden. Zum anderen wird den Abgemahnten erstmalig ein bis dahin rechtlich und faktisch kaum durchsetzbarer Anspruch auf Erstattung der Kosten für die eigene Rechtsverteidigung gegeben, wenn die Abmahnung unberechtigt oder in unwirksamer Form erfolgte.
Weiterhin wird der für die Abmahnkosten maßgebliche Gegenstandswert in Fällen erstmaliger Rechtsverstöße durch Privatpersonen auf 1.000 € begrenzt, sofern dies nicht im Einzelfall unbillig ist. Aus diesem Wert errechnen sich Rechtsanwaltsgebühren von nunmehr nur noch 155,30 €.
Zu erwähnen ist auch eine neue Gerichtsstandsregelung, wonach Klagen gegen nicht gewerbliche Verletzer nur noch am Sitz des Wohn- oder ständigen Aufenthaltsortes des Rechtsverletzers erhoben werden dürfen.
Inkasso-Dienstleistern, ob eigenständigen oder anwaltlichen, wird künftig deutlich mehr Transparenz bei der Inanspruchnahme von Privatpersonen abverlangt.
So müssen unter anderem der/die Auftraggeber, Forderungsgrund inklusive Inhalt und Zeitpunkt des Vertragsschlusses, die Details der Zinsberechnung sowie Art und Grund der Inkassovergütung klar und verständlich übermittelt werden.
Flankiert werden diese Informationspflichten von schärferen Überwachungs- und Sanktionsmöglichkeiten durch die Aufsichtsbehörden, sowie strengen Bußgeldvorschriften.
Durch ein Zusammenspiel von Änderungen im BGB und UWG soll Werbe- und Gewinnspielanrufen bei Verbrauchern der Reiz genommen werden, indem derartige Gewinnspiele künftig nur noch in Textform vereinbart werden dürfen und unerbetene Anrufe nun mit dem sechsfachen des bisher möglichen Höchstbußgeldes, dh. mit bis zu 300.000 € geahndet werden dürfen.
Auch im Wettbewerbsrecht sollen Abgemahnte ab jetzt vor Missbrauch besser geschützt werden, indem ihnen nicht nur erstmalig gesetzliche Erstattungsansprüche hinsichtlich ihrer Kosten zur Rechtsverteidigung gegen die Abmahner eingeräumt werden, sondern ihre wirtschaftliche Lage auch bei der Streitwertbemessung berücksichtigt werden muss.
Bewertung: Der Gesetzes-Novelle begegnet der Jurist mit gemischten Gefühlen. Denn einige der neugeschaffenen Vorschriften hätten bei konsequenter Ausnutzung des den Richten zustehenden Ermessensspielraums in deren Hand verbleiben und somit vermieden werden können.
Es wird sich erst zeigen müssen, ob beispielsweise die Streitwertkappung in der gerichtlichen Praxis tatsächlich als Regelfall behandelt wird, gegen welchen die Abmahner nur mit großer Anstrengung den Ausnahmetatbestand der „Unbilligkeit“ erfolgreich ins Feld führen können.
Ohne Frage begrüßenswert ist die längst überfällige Abkehr vom „fliegenden Gerichtsstand“. In nicht wenigen Fällen dürfte es den abmahnenden Kanzleien schlicht zu aufwendig sein, für jede Anwaltsgebühr quer durch die Republik klagen zu müssen.
Insbesondere die künftige Vermeidung einer abmahnfreundlichen Verhärtung der Rechtsprechung an beliebten Gerichtsorten wie Hamburg, Düsseldorf oder München wäre erfreulich.
Die Aufnahme von Gegenansprüchen der Abgemahnten ins Gesetz ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Bisher waren solche nur bei offenkundig betrügerischen Abmahnungen denkbar.
Abmahner werden nicht umhinkommen, künftig ihre Abmahnberechtigung in jedem Einzelfall immer wieder sorgfältig zu prüfen und zu begründen.