Filesharing – Die Darlegungspflicht der Anschlussinhaber wird weiter reduziert

OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2011 – 22 W 82/11

Leitsatz: Mit seinem Kostenbeschluss vom 27.10.2011 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren wegen Filesharings hat das OLG Hamm zugunsten der Anschlussinhaber wichtige Grundfragen zum Umfang der sekundären Darlegungslast geklärt und die von den Abmahnern regelmäßig behaupteten Entlastungspflichten der Anschlussinhaber in Fortsetzung der bisher nur vereinzelt dazu ergangenen Rechtsprechung weiter reduziert.

Erläuterung: Die Parteien stritten in einem einstweiligen Verfügungsverfahren um die Pflicht des beklagten Anschlussinhabers, die Verletzung der Urheberrechte der Klägerin durch die Benutzung von Tauschbörsen über den Internetanschluss des Anschlussinhabers künftig zu unterlassen.

Nachdem sich die Parteien in einem Vergleich geeinigt hatten, war nur noch über die Verfahrenskosten gemäß § 91a ZPO Beschluss zu fassen.

Im Rahmen der dafür zu beurteilenden, ursprünglichen Erfolgsaussichten der klägerseitig beantragten einstweiligen Verfügung gegen den Anschlussinhaber kam das mit diesem Verfahren befasste Landgericht Bielefeld zu dem Ergebnis, dass der Antrag der Klägerin selbst bei einer angenommenen Störerhaftung des beklagten Anschlussinhabers für das Verhalten zum Anschluss zugangsberechtigter Dritter teilweise abzulehnen gewesen wäre und die Kosten daher gegeneinander aufzuheben seien. 

Die dagegen eingelegte Kostenbeschwerde der Klägerin vor dem OLG Hamm blieb ohne Erfolg.

Das Gericht begründete die Richtigkeit der vorinstanzlichen Kostenentscheidung damit, dass die Klägerin mit ihrem ursprünglichen Verfügungsantrag, es dem Beklagten zu untersagen, die geschützten Werke der Klägerin im Internet zu verbreiten, ausweislich der vom Beklagten vorgetragenen Möglichkeit einer Tatbegehung durch Familienmitglieder, sich im Nachhinein als zu weitgehend herausgestellt hatte, da nur noch eine Haftung des Beklagten als sogenannter „Störer“ in Betracht kam. Der Antrag hätte mithin dahingehend formuliert werden müssen, es dem Beklagten zu untersagen, es Dritten zu ermöglichen, das geschützte Werk über seinen Anschluss zu verbreiten.

Dass allein die vom Beklagten bestrittene eigene Täterschaft und die dazu vorgetragene Möglichkeit der Rechtsverletzung durch weitere Anschlussnutzer ausreichen soll, um der sekundäre Darlegungslast zu genügen und die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtsverletzung nun wieder an den Kläger gemäß der zivilprozessualen Grundsätze zurückzuspielen, begründete das OLG Hamm damit, dass zur Erschütterung der vermuteten Täterschaft des Anschlussinhaber allein die Darlegung der plausiblen Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs genüge.

Damit widersprach das Gericht auch der vielfach vertretenen und auch von der Klägerin vorgebrachten Auffassung, dass die Anschlussinhaber zu ihrer eigenen Entlastung den Rechtsverstoß durch Dritte zu ermitteln hätten, da die Rechteinhaber die Täter der Urheberrechtsverletzung sonst praktisch nie aufdecken würden.

Allein die tatsächlichen und technischen Gegebenheiten bzw. Schwierigkeiten seien jedoch kein Grund, die Darlegungslast der Anschlussinhaber unbegrenzt auszudehnen – so das Gericht. Schließlich führe auch die Verneinung einer Täterschaft seitens der befragten Dritten nicht dazu, dass nunmehr nur noch die Täterschaft des Anschlussinhabers in Betracht kommen könne, da sich die befragten Drittpersonen in der Regel nicht selbst belasten würden.

Anmerkung: Diese Entscheidung ist – wenn auch nur als Kostenbeschluss und nicht als Urteil ergangen  – eine wichtige Weiterentwicklung der Rechtsprechung des OLG Köln (Beschluss vom 24.03.2011, 6 W 42/11) und des Landgericht Stuttgart (vom 28.06.2011 – 17 O 39/11). In diesen Entscheidungen wurde m. E. n. erstmals die sekundäre Darlegungslast der Anschlussinhaber auf ein vernünftiges und in Einklang mit dem Zivilprozessrecht stehendes Maß begrenzt. Zuvor konnten abgemahnte Anschlussinhaber einer täterschaftlichen Haftung, welche auch Schadensersatz umfasst, in der Regel nur entgehen, wenn sie den Beweis der eigenen Abwesenheit im Zeitraum der Rechtsverletzung führen konnten. 

Zukünftig dürfte es angesichts der sich hierzu verfestigenden Rechtsprechung genügen, wenn der Anschlussinhaber plausibel darlegen kann, dass neben ihm auch noch weitere Personen den Anschluss nutzen können. Dies wird zu einer hoffentlich weiteren Eindämmung des Abmahnwahns führen, denn zumindest die in den geforderten Pauschalabgeltungen enthaltenen Schadenersatzzahlungen werden gerichtlich wohl nur noch gegen Anschlussinhaber durchsetzbar sein, welche den Internetzugang weit überwiegend alleine nutzen (z. B.: alleinlebende Personen).