Google-Haftung für Suchergebnisse – Betrug ist nicht gleich Betrug

In seiner Entscheidung vom 27.04.2015 (Aktenzeichen 18 W 591/15) hatte sich das OLG München mit der wiederholt die Gerichte beschäftigenden Problematik einer (Mit-)Haftung der Suchmaschinenbetreiber für Suchergebnisse mit rechtsverletzenden Inhalten auseinanderzusetzen. Hierbei prüfte das Gericht schulbuchmäßig das Prüfungsschema zur Feststellung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch unwahre Äußerungen ab und kam zu dem  Ergebnis, dass eine Betrugsbezichtigung auch dann ehrenrührig ist, wenn über den „falschen“ Betrug berichtet wird.

Ein Unternehmen der Immobilienbranche (Antragstellerin) hatte den Suchmaschinenanbieter Google auf Unterlassung in Anspruch genommen, nachdem es Google unterlassen hatte, einem konkreten Hinweis der Antragstellerin auf Rechtsverletzungen in einem Suchergebnis nachzugehen und dieses Suchergebnis zu sperren.

Der streitgegenständliche Suchtreffer verwies auf einen Blog-Beitrag, in welchem unter anderem zu lesen war: „Wirtschaftsstrafrecht.. []….. unter Betrugsverdacht, Staatsanwalt ermittelt []….Das Geschäftsmodell von […]sieht vor, dass Immobilienobjekte unter Verkehrswert erwoben…“. In leicht verkürzter Darstellung waren diese Äußerungen auch im Text des Google-Snippets wiedergegeben.

Die Antragstellerin hielt den dadurch entstehenden Aussagegehalt von angeblichen strafrechtlichen Ermittlungen aufgrund von Betrugsstraftaten (vgl. § 263 StGB) zulasten von Anlegern und Kunden für unwahr und ehrenrührig. Tatsache war jedoch unbestritten, dass gegen die Antragstellerin tatsächlich ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren im Gange war, dies aber wegen des Verdachts von Kapitalanlagebetrug nach § 264a StGB.

Das Gericht begründete zunächst seine Zuständigkeit gemäß der herrschenden Rechtsansicht, dass bei weltweit abrufbaren Äußerungen im Internet sich die nationale Zuständigkeit nach dem Land richte, zu welchem die umstrittenen Inhalte objektiv den größten Bezug hätten, mithin wo eine Kollision zwischen den widerstreitenden Interessen aus Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht tatsächlich stattfindet.

Sodann nahm das Gericht durch Auslegung des Aussagegehaltes die gebotene Abgrenzung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung vor und ordnete die sich aus den unvollständigen Textphrasen ergebende Aussage als Tatsachenbehauptung ein.

Zwar sei bei rechtlichen Fachbegriffen wie „Betrug“ immer auch an eine persönliche Rechtsauffassung des juristischen Laien zu denken. Hingegen stünde hinter dieser Wertung die Information über einen konkreten tatsächlichen Vorgang, nämlich die Ermittlung in Bezug auf den gesetzlichen Straftatbestand des Betruges.

Diese Tatsachenbehauptung sah das Gericht trotz der Ermittlungen wegen Kapitalanlagebetruges als unwahr und somit ehrenrührig an. Denn im Gegensatz zum Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) sei der hier suggerierte Betrugsverdacht in Hinblick auf Anleger und Kunden deutlich gewichtiger, setze er doch irrtumsbedingte Vermögensverfügungen der Geschädigten und dadurch verursachte echte Vermögensschäden voraus. Dies müsse die Antragstellerin wie grundsätzlich jeder von unwahren Tatsachenbehauptungen Betroffene nicht hinnehmen.

Die eigenständige (Mit-)Haftung von Google für diese unwahre Fremdbehauptung des Bloggers begründete das Gericht nach den Grundsätzen der „Störerhaftung“. Google habe durch die Abbildung des Suchtreffers mit den unwahren Informationen im Textausschnitt (Snippet) einen adäquaten Verursachungsbeitrag geleistet. Den haftungsvermeidenden Prüfpflichten, die im Moment der Anzeige durch die Antragstellerin begründet wurden, war Google nicht nachgekommen. Eine Sperrung des Suchergebnisses war zu Unrecht unterblieben.

FAZIT:  Auch wenn die Entscheidung dogmatisch kaum zu kritisieren ist, insbesondere die Haftungsvoraussetzungen für Suchmaschinenbetreiber erneut sauber herausgearbeitet wurden, bleibt am Ende ein fader Beigeschmack an der Tatsache, dass strafrechtliche Ermittlungen ja tatsächlich stattgefunden hatten, nur eben an einem „anderen“ Betrug. Ob die Textphrasen nun aber zwingend so eng auszulegen waren, dass diese sich allein auf einen Betrug an Kunden / Anlegern bezogen, könnte durchaus bezweifelt werden.