OLG München (Urt. v. 23.3.2023 – 29 U 3365/17): Kein Wertersatzanspruch gegen Video-Plattform

Zum Sachverhalt: Die Klägerin ist eine in München ansässige Filmverwerterin, die behauptet, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an 16 Filmen zu sein, die von Nutzern der Video-Sharing-Plattform … hochgeladen und monetarisiert wurden. Sie verlangt von den Beklagten, die mit der Plattform in Verbindung stehen, Auskunft und Wertersatz für die Gebrauchsvorteile, die sie durch die Verwertung der Filme erlangt haben.

Die Beklagten bieten verschiedene Leistungen im Zusammenhang mit ihrer Videoplattform  an, wie z.B. Werbung, Domains, Finanzierung oder Unterstützung der Uploader. Sie kontrollieren zwar nicht die Inhalte der hochgeladenen Videos, haben aber ein Benachrichtigungsverfahren und ein Content-Identification-System eingerichtet, um Rechtsverletzungen zu vermeiden oder zu beheben. Sie beteiligen die Uploader an den erzielten Werbeeinnahmen.

Das Landgericht hat die Klage vollständig abgewiesen, da es der Auffassung war, dass die Beklagten keine öffentliche Wiedergabe der streitgegenständlichen Filme vorgenommen haben und daher keine Auskunfts- oder Bereicherungsansprüche bestehen.

Das OLG München hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen

Zur Zulässigkeit der Klage führt das OLG aus. Dass sich die Klage der Klägerin nach deutschem Recht richtet, da sie auf eine Eingriffskondiktion aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gestützt wird, die an die unerlaubten Handlungen in Form von Urheberrechtsverletzungen anknüpft, auf die nach Art. 8 Abs. 1 Rom II-VO deutsches Recht anzuwenden wäre.

Die Klage der Klägerin ist jedoch unbegründet, da die Beklagten keine Eingriffskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB verwirklicht haben. Sie haben weder selbst in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts eingegriffen, noch durch einen solchen Eingriff eines Dritten etwas erlangt.

Maßgeblich ist insoweit die Frage nach einer eigenen Wiedergabehandlung der Beklagten i.S.v. §§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2; 19a UrhG.  Die Beklagten haben keine eigene öffentliche Wiedergabe der von Nutzern hochgeladenen rechtsverletzenden Inhalte vorgenommen, weil sie nicht in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens und mit dem Ziel, der Öffentlichkeit Zugang zu geschützten Werken zu verschaffen, tätig geworden sind. Dies ist unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte zu beurteilen, die die betreffende Situation kennzeichnen.

Der EuGH und der BGH haben verschiedene Kriterien entwickelt, die bei der Beurteilung einer öffentlichen Wiedergabe durch den Betreiber einer Video-Sharing-Plattform zu berücksichtigen sind, wie z.B. die geeigneten technischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen, die Beteiligung an der Auswahl der Inhalte, die Förderung des unerlaubten Teilens und die Reaktion auf Hinweise der Rechtsinhaber.

Die Beklagten haben keine öffentliche Wiedergabe nach diesen Kriterien vorgenommen, da sie hinreichende technische Maßnahmen getroffen haben, um Urheberrechtsverletzungen glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen, keine Hilfsmittel zum unerlaubten Teilen angeboten oder gefördert haben und unverzüglich auf Hinweise der Rechtsinhaber reagiert haben.

Eine Eingriffskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB setzt weiterhin voraus, dass der Kondiktionsgegenstand dem Bereicherungsschuldner nicht auf dem Umweg über das Vermögen eines Dritten zugeflossen ist, sondern sich bis zum kondiktionsauslösenden Vorgang im Vermögen des Bereicherungsgläubigers befunden hat. Den Beklagten war hingegen der Kondiktionsgegenstand nicht vom Bereicherungsgläubiger, sondern von den Nutzern der Plattform zugeflossen.

Die Klägerin kann ferner keinen Anspruch aus Dritteingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB geltend machen, da sie keinen unmittelbaren Zufluss des Kondiktionsgegenstandes an die Beklagten als Bereicherungsgläubiger erlitten hat. Der Kondiktionsgegenstand ist die Nutzungshandlung i.S.v. §§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2; 19a UrhG in Form der öffentlichen Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Filmwerke, die von den Uploadern an die Beklagten geflossen ist, sobald diese das Videomaterial auf die Plattform hochgeladen haben. Allerdings sind die Nutzung der Filme für Werbung bzw. dem Gebrauch der Werbemöglichkeiten oder des Werbeerlöspotentials keine eigenständigen urheberrechtlichen Nutzungshandlungen die dem Urheber zugewiesen sind. Die Beklagten haben mithin nicht in den Zuweisungsgehalt des Urhebers i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB eingegriffen, da sie nicht die urheberrechtlich geschützten Filmwerke selbst, sondern nur die Werbemöglichkeiten genutzt haben.